Nachdem ich mich nach Pynchon mit dem Stil des UNZUVERLÄSSIGEN ERZÄHLENS befasst habe, bin ich erstaunt, wie wenig Beispiele man bei Wikipedia dafür anzubringen hat. Was mich froh stimmt, dass Walsers Räuberroman ebenfalls zu diesem Genre zählt. Wobei ich mich frage, wieso der Räuberroman, der so weit ich das mitbekommen habe, auch DER RÄUBERROMAN heisst, einfach mit „Der Räuber“ angegeben ist. Mir gefällt der Titel DER RÄUBERROMAN viel besser, als lediglich DER RÄUBER. Für die meisten ist das wohl eine Kleinigkeit, für mich nicht. Mit 16 hatte ich übrigens einen Unfall. Ich sass hinten auf einem Fahrrad mit drauf und man raste eine abschüssige Strecke hinab. Vor Freude streckte ich die Beine aus ( ich sass mit beiden in die selbe Richtung gedreht) und weil ein Baum kam, den ich nicht gesehen hatte, haute es mich vom Rad.Seitdem habe ich irgendwie ein besonderes Gespür für Kleinigkeiten.
Weil ich dann gestern einen immensen Digitalekel bekommen hatte, nachdem ich von einem Link zum nächsten gehechtet war und am Ende NICHTS übrig geblieben war, als das dumpfe Gefühl die Natur zu übergehen, fuhr ich in den Tiergarten und wühlte mich ganz tief ins Gestrüpp hinein. Ich endete an einer Flussmündung, die aussah, als sei sie aus einem anderen Teil der Erde importiert worden. Die Sonne beschien das still schimmernde Gewässer, das umringt von zartgrünen Blättergewächsen war. Das Vogelgezwitscher als Geräuschkulisse in Beziehung zur absoluten Menschenleere* (ich hatte die Wege so verlassen, so dass ich tatsächlich allein im Tiergarten zu sein schien) machte mich dann glücklich. Ein Reiher flog dann zudem edel seine Flügel schwingend, direkt an mir vorbei und liess sich ganz nah bei mir nieder. So nah war ein solch schöner Standvogel mir, soweit ich mich erinnere, noch nie gekommen. Vorbei kam, zu etlichen Teichhühnern und den altbekannten Stockenten dann noch ein Pärchen Kanadagänse die unentwegt die Wasseroberfläche abschnäbelten. Man spürte bei all denen den Lebenshunger, den der Frühling ihnen in diesem Moment bescherte. Insgesamt habe ich in den Stunden, die ich in dieser Oase inmitten der Stadt verbrachte, bestimmt 100 te von Tieren gesehen und fast ebenso viele gehört. Was das ganze unvergesslich macht, ist, dass ich weder ein Foto noch irgend eine andere technische Aufnahme gemacht habe. Ich habe das Ganze lediglich auf meiner menschlichen Festplatte im Kopf gespeichert. Sicher hält das im Detail nicht ganz so lange wie auf Fotopapier oder Tonband, jedoch ist das Gefühl wohl ab jetzt für immer nachzuspüren. Man nennt es Glück.
© Bettie I. Alfred, 21.4.2020