Geistesgegenwärtig stelle ich die Wäsche in den Regen. Die Wasserarten sollen sich auf ihr vermischen. Vermischungen mag ich. In vieler Hinsicht. Auch mag ich es Sachverhalte zu relativieren oder Ansprüche zu zerstören. Jemand sagt man muss die Kunst durch Demontage retten. Eine gute Idee. Ich beschäftige mich viel mit dem demontieren von etwas. Doch immer wenn ich dazu ansetze kommt mir die Katze dazwischen. Ihr Fell ist getigert, schönere Kleidung gibt es nicht. Ein Bekannter schenkte mir neulich das Buch von Gzimek, 20 Tiere und ein Mensch. Ich begann darin zu lesen und merkte mir den Satz von ihm, dass jeder sein Steckenpferd habe, das sein Herz warm machen würde. Mit Steckenpferd ist die Tierart gemeint, um die man sich am liebsten kümmert. Ich lese dann quer in ein anderes Buch über den Mensch Thomas Bernhard hinein. Da geht es um die Dignität der Sinne. Ich überlege was Dignität bedeutet. Mir fällt die Songzeile ein „You took my dignety, the way you looked at me“. Dann steht da auch noch das bombastische Wort BEGRIFFSVERGRÖSSERUNGSMÖGLICHKEIT. Schade, dass ich dieses Wort in der siebten Klasse noch nicht gekannt habe. Da spielten wir immer, wenn dem Lehrer am Ende der Stunde der Stoff ausging und weil es ihm anscheinend verboten war die Klasse zehn Minuten früher nach hause gehen zu lassen, das Spiel Galgenmännchen. Die Klasse musste dabei ein Wort raten und sich vorerst durch Buchstabenvorschläge an es herantasten. Jeder falsche Buchstabe wurde mit dem Schritt zum Aufbau eines Galgens bestraft. Das Wort BEGRIFFSVERGRÖSSERUNGSMÖGLICHKEIT wäre ein Traumwort gewesen, um gegen die Klasse anzutreten. Doch damals fiel einem lediglich Unterwasserseebod ein und die Häme war gross, weil ich es falsch enden liess und die Klasse es nicht rausbekommen konnte ob eben meiner falschen Schreibweise. Es war mir ungeheuer peinlich und der Vater wäre ebenfalls empört gewesen, wenn ich es ihm gestanden hätte, denn er war ein Deutschlehrer durch und durch. Das Unvollkommene wird ständig zur Gefahr. Ein Freund hat sich ein Haus gekauft, in dem alte Möbel stehen. Er beschreibt sie mir als wurmstichig und erbarmungslos. Ich bitte um ein Bild und sehe Möbel, die alle in einem besseren Zustand als die meinigen sind. Wenige Wochen später frage ich nach dem Spiegelschrank mit den gedrechselten Beinchen. Ich würde ihn gerne übernehmen. „Alles schon zerkloppt!“ erwidert der Freund. „Wegen des Holzbocks!“ fügt er hinzu. Im Baumarkt komme ich dann an einem Regal vorbei, wo ich eine Tube Wurmlochausfüller stehen sehe. Davon hat der Freund wohl noch nichts gehört. Ich versuche in Zukunft bei Begegnungen mit ihm das Thema Wurmlochbefall bzw. Holzböcke zu vermeiden. Es sticht mich ins Herz, wenn ich an den Schrank denke. Ich bin doch auch nur ein Wurm, der sich in ein Loch vergraben hat. Die Katze hat sich wegen der plötzlichen Kälte in ein Polyestertuch gewickelt und eine wunderbare Höhle ist dabei entstanden. Wenn ich die Hand hineinstecke ist es bullig heiss dadrin. Nach einer Aufnahme fürs Hörspiel, wo ich vor Wut was schreien musste, habe ich ein wenig Halskratzen. Ich habe die Aufwärmungsübungen vergessen.
© Bettie I. Alfred, 5.10.2020